Kater nach Trump
Wir hatten zwar befürchtet, dass es knapp werden könnte, aber dass Trump so klar und deutlich gewinnt, das hat mich nicht nur schockiert und erschüttert, sondern auch richtig sauer gemacht. Wie konnten die Amerikaner so engstirnig, so selbstbezogen, ja so unfreundlich sein und uns mit ihrer Wahl nicht nur den Tag verderben, sondern uns auch hier drüben in der vermeintlich sicheren Schweiz unangenehm vor Augen führen, dass die alte Zeit mit dem freundlichen, spendablen und liberalen Onkel Sam aus Amerika ein für alle Mal vorbei ist und dass Europa tatsächlich unwichtig geworden ist. Seit gestern spielt die Musik anderswo und auch das Machtgefüge auf der Welt wird sich verändern.
Es herrschen wieder rauhe Töne, Differenzierung ist out, Wokeness sowieso und Anliegen wie Geschlechtergerechtigkeit sind passé.
Wir ahnten es
Wer in den letzten Jahren mal in die USA gereist ist, oder wer amerikanische Aktien besitzt oder gar ein Doppelbürgerrecht, wusste schon länger, dass unfreundliche Zeiten angebrochen sind und dass der amerikanische Staat seine Interessen nicht nur sanft, sondern geradezu aggressiv und völlig unerbittlich durchdrückt. Davor schützte auch das berühmte rote Büchlein längst nicht mehr.
Und dennoch hofften wir. Wir glaubten, dass Anstand und die Versprechungen der Demokraten vom Volk als wichtiger erachtet wurden als die bodenlosen Frechheiten, Anmassungen, Zumutungen und die haltlosen Behauptungen von Trump und seinem Umfeld. Dabei werden wir seit Monaten durch reale Ereignisse unangenehm belehrt. In Ostdeutschland stimmten die Menschen ultra rechts oder dogmatisch links ab, in Österreich ist die FPÖ mit 30% zur stärksten Stimme des Landes geworden, in Frankreich wurde derart polarisiert gewählt, dass das Land lange gelähmt schien und in Ungarn sitzt Orban seit einer gefühlten Ewigkeit fest im Sattel. Auch die Schweiz ist deutlich polarisierter geworden mit einer ungeduldigen und nicht immer anständigen Rechten, die die Geschlechterverhältnisse gerne wieder in die Vorkriegszeit zurückdrehen würde. Und mit einer irritablen dogmatisch engen Linken, die sich moralisch überlegen fühlt.
Was sollen wir jetzt tun?
Kamala Harris hatte sicher recht als sie gestern sagte, es sei nicht der Moment um aufzugeben und zu resignieren. Es ist aber auch nicht der Moment um einfach weiter zu machen wie bisher.
Es geht im Moment gar nicht darum wer recht hat und wer nicht, sondern es geht darum, dass wir versuchen zu verstehen was passiert ist und was die Menschen dazu bringt, in Scharen den Rechten zuzulaufen.
Ich glaube, es ist nicht so, dass alle diese Leute niederträchtig und zynisch sind wie Donald Trump, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie ihm mehr Gutes zutrauen als der super differenzierten, verständnisvollen, hoch gebildeten und intellektuellen Kamala Harris. Offenbar versteht Trump die Menschen besser.
Er hat vor den Demokraten erkannt, dass die ungesteuerte Migration ein grosses Problem für das Land ist, aber musste er darauf gleich mit so viel Rassismus reagieren?
Sicher nicht. Aber das ist nicht der Punkt, der Punkt ist, dass er (ob instinktiv oder auch nur aus kalter Machtberechnung) genau wie viele andere Populisten schnell und wendig mit einfachen und klaren Rezepten auf Probleme reagiert.
In meinen Augen haben wir, die uns linksliberal oder als links verstehen, genau da versagt. Wir haben nicht zugehört wir waren zu sehr damit beschäftigt, politisch korrekt und moralisch auf der richtigen Seite zu sein. Ja, wir haben viel zu viel Zeit darauf verwendet, einander auf den rechten Weg zu bringen und uns immer wieder bei Freunden zu vergewissern, dass wir richtig lagen. Wir haben uns nicht die Mühe genommen, den Anderen, also denen, die anders dachten und wählten, einmal genau zuzuhören.
Wir haben die Augen verschlossen vor den Ängsten und Befürchtungen der andere, ja wir wissen oft nicht einmal so genau, wer diese denn sind. Denn wir kennen sie nicht. Wir leben in einer Bubble, einer Blase. Diese ist nun geplatzt.
Wir befinden uns aktuell ausserhalb unserer Komfortzone. Dies ist eine gute Nachricht, denn in solchen Momenten kann sich auch tatsächlich gesellschaftlich etwas verändern.
Absteigen, zuhören, Kompromisse finden
Die Engländer liebten es bereits vor 150 Jahren gesellschaftlich in Bubbles zu verkehren, sie hatten dafür eigens die Clubs erfunden, dort waren sie unter seinesgleichen und abgeschirmt von der Aussenwelt. So behaglich Clubs scheinen, sie haben nicht eben zu einer guten sozialen Durchmischung des Landes geführt, sondern eher zu einem Snobismus und einer Abgehobenheit der Eliten. Eine Folge davon war das Desaster der Konservativen in der UK vor einigen Monaten. Die Schweiz hat da eine andere Geschichte, natürlich gab es auch bei uns immer gesellschaftlich abgeschottete Bubbles wie beispielsweise die Zünfte, aber viel wichtiger waren die Melting Pots, die Orte der Begegnung; das Militär, die Vereine, die Politik. In der Schweiz konnte man sich nur schlecht aus dem Weg gehen, die Elite war klein, stark vernetzt und die Politik war so organisiert, dass viel Basisdemokratie auch viele verschiedene Lösungen hervorbrachte. Darum war unser Selbstverständnis lange von Pragmatismus geprägt, das gilt nicht nur für die Eliten, sondern ebenso beispielsweise für die Frauenbewegung oder für die Linke.
Vielleicht waren wir früher sogar etwas überpragmatisch, so hofften die Frauen doch allzulange auf das Einsehen der Männer in der Frage des Frauenstimmrechts, aber davon sind wir heute weit weg. Wir sind zersplittert und polarisiert und wir denken, das sei richtig so.
Wer je in der Führung eines Unternehmens war, weiss, dass es von grosser Wichtigkeit ist, die Menschen anzuhören und Wege und Lösungen zu finden, die mehrheitsfähig sind. An dieser Herausforderung sind schon viele smarte Manager gescheitert, Unternehmensführung ist nichts für Egomanen. Dafür braucht es Nähe zur Belegschaft, ein offenes Ohr und die Fähigkeit zu lernen und Kompromisse zu finden. Der Fachkräftemangel hat diese Tendenz sogar noch verstärkt, denn wer nicht zufrieden ist mit seiner Stelle, sucht sich eine andere. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagieren also ähnlich wie das Stimmvolk.
Viele erfolgreiche Unternehmen machen heute vor wie Führung mit Zuhören geht. Chefinnen oder Chefs, die in ihrer Bubble oder hauptsächlich in ihrem geschlossenen Büro sitzen, haben kaum Erfolg, ganz anders jene, die reden mit den Leuten, die versuchen unvoreingenommen zu sein.
Sie tun, was in der Politik auch in der Schweiz wieder selbstverständlicher sein sollte, sie öffnen sich, sie binden ein, sie geben die protzigen Büros auf und manchmal finden sie sogar einfache und pragmatische Lösungen, also solche wie die Politik jetzt dringend braucht.
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