- Lynn Blattmann
Darf man ein Elektroauto lieben?
Neuer Volvo EX 30 nach Schneeeinbruch mit Sommerreifen in Lenzerheide
Seit knapp drei Wochen habe ich auch eines. Ein Elektroauto namens Volvo EX 30. Und weil man so viel Schrott über die Dinger liest, wollte hier meine Erfahrungen und Gefühle teilen.
Langes Warten, viel künstliche Intelligenz
Das schlimmste war das Warten. Ich musste mich monatelang gedulden, obwohl ich schon im April bestellt, habe, dauerte die Auslieferung bis fast Mitte September. Ja, die Autos werden in China hergestellt, obwohl sie Volvo heissen, und ja, das schicke Teil ist mehr Computer als jedes Fahrzeug, das ich bisher gefahren habe.
Aber das stört mich nicht. Der Wagen hat sowieso einiges, was keines meiner Auto vorher hatte; er ist geräuschlos, abgasfrei, und mit seinen zwei Elektromotörli so schnell, dass er an der Ampel jeden Porsche verdutzt stehen lässt.
Dank der grösseren Räder fährt er sich enorm komfortabel und er ist derart randvoll mit künstlicher Intelligenz, dass ich sehr gerne an ihn delegiere.
Am Anfang fand ich auch, dass die Schweden, beziehungsweise die Chinesen es mit der Reduziertheit etwas übertrieben hatten, denn ausser zwei drei Knöpfen am Lenkrad einem Blinker und einem Ganghebel gibt es nur das ipadgrosse Display; keinen Tacho, nix.
Aber keine Angst, der Volvo lässt sich kinderleicht bedienen, er spricht gutes Deutsch. "Deezer spiel Gianna Nannini!" und schon läuft eine Playlist mit bekannten Songs der Italienerin. "Nebellicht einschalten" führte auch umstandslos dazu, dass ich in einer Nebelbank mit meinem dunkelgrauen Auto gesehen wurde.
Es stimmt auch, dass das Auto eine etwas pedantische Seite hat, die aktustische Warnung bei Tempoüberschreitung kommt prompt ist laut und nicht immer richtig. (Volvo hat schon auf der Autobahn gemeint, er sei in einer Tempo 30 Zone), aber dank einem kleinen Hack meines Verkäufers kann ich nach dem Losfahren mit einem Klick auf die Shortcut-Taste das Gepiepe ausschalten.
Und bei aller Technik muss ich sagen, dass das Reisen mit dem Wagen etwas aus der Zeit gefallenes hat, es ist derart ruhig, entspannt und sicher, dass man ins Träumen kommt. Man muss aber beide Hände am Lenkrad halten und nicht gähnen wenn der Tempomat und die automatische Lenkung aktiviert ist, sonst rät Dir der Wagen freundlich zu einer Kaffeepause.
Auch das Laden ist kein grösseres Problem. Ist ist tatsächlich so, dass man an den meisten Schnelladern direkt mit der Kreditkarte zahlen kann und nicht mal so eine Elektroladekarte braucht.
Futuristische Kutsche
Der nagelneue Volvo hat tatsächlich etwas von einer Kutsche, weil auch damals fanden die Pferde meist den Weg allein ohne viel Intervention des Kutschers, und der Wagen braucht auch Pausen, ähnlich wie Kutschenpferde. Es ist also wie früher, als man an der Landstrasse anhielt um die Pferde zu wechseln oder ausruhen zu lassen und sich selbst auszuruhen. Das ist angenehm.
Letzte Woche war ich mit dem Wagen in Basel, die Batterien waren bei der Abreise nicht mehr ganz voll, darum vermeldete der Computer, dass der Volvo auf der Rückreise 10 Minuten zum Laden braucht um noch mit sicherem Batteriestand nach Hause zu kommen. Ich hielt an einer Raststätte an und beschloss, diese Zeit zu nutzen für den Einkauf eines Energieriegels, für einen Kaffee und den Gang zur Toilette. Als ich zurückkam, hatte der Kleine längst genug getankt für die Rückfahrt.
Auto löst Gefühle aus
Es kam wie es kommen musste, ich begann mich nach kurzem in das graue Auto zu verlieben. Ich begann Ausflüge zu ersinnen, nur um in seinem Innern sitzen und fahren zu können und ich redete nur noch von ihm. Ja, ich gebe zu, ich hatte schon immer ein Flair für elektrische Geräte, ich rede auch mit meinem Stabmixer. Das kommt davon, dass ich in jungen Jahren bei den Grünen war und meinen geliebten hellblauen VW Käfer Jahrgang 1971 1602 S verleugnen und dann sogar verkaufen musste. Seither ist mein Verhältnis zu Autos gelinde gesagt ein Gespaltenes. Bis der Volvo kam. Das kleine flinke Ding hat mein Herz erobert, es erfreut mein Auge und bitte seid verständnisvoll wenn Ihr seht, dass ich ihn verstohlen streichle. Sobald Ihr auch einen habt, wird es Euch ähnlich gehen.
Comments