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Lynn Blattmann

Und plötzlich war sie weg

Vom plötzlichen Wegfall einer chronischen Krankheit



Wie es ist an einer chronischen Krankheit zu leiden, ist schwer zu beschreiben. Besonders, wenn es sich um ein Leiden handelt, das kommt und geht, wie die Migräne, die mein Leben fast 50 Jahre lang eisern im Griff gehabt hat. Eine Migräne ist mehr als ein Schmerz im Kopf, sie packt einen mit Haut und Haar. Wer einen Anfall hat, wechselt den Zustand.

Aus einer lebensfrohen unternehmenslustigen Person wird ein antriebsloses, hirnreduziertes elendes und schlaffes Etwas. Die Krankheit äussert sich nicht nur durch einen pochenden, übelkeiterregenden Schmerz im Kopf, sie ergreift auch die Persönlichkeit, die sich temporär verändert.

Ausserdem handelt es sich bei der Migräne um eine häufige Krankheit. Bei den Männern sind 6-8% betroffen, bei den Frauen 8-14%. Dennoch ist sie medizinisch weitgehend unverstanden. Sie gilt als Paradekrankheit hypochondrischer Frauen, die jeweils einen Migräneanfall vorschieben, um nicht am Gesellschaftsleben teilnehmen zu müssen, oder um sich ihre Ehemänner vom Leib halten zu können.

Migräne ist unsichtbar, sie verursacht keine äusserlichen Zeichen. Neben körperlichen Schmerzsymptomen und Unwohlsein umfasst sie auch psychische Symptome wie Antriebsschwäche, und den dringenden Wunsch nach Rückzug in einen dunklen, kühlen Raum.

«Migraine doesn’t destroy lives, it ruins them,» wie der englische Migräneforscher Peter Goadsby treffend bemerkt hat.


Kindheits- und Jugendmigräne

An meine erste Migräne kann ich mich nicht erinnern, nur an das schale Gefühl in Mund und Magen und den lähmenden Kopfschmerz, der mich schon als Primarschülerin häufig befiel. Ich war ein mageres unsportliches Kind, das sowieso wenig mit anderen herumtobte. Wenn ein Anfall kam, wollte ich mich am liebsten verstecken. Ich erinnere mich noch, dass ich während eines Anfalls einmal unter den Balkon kroch im Hochparterre des Miethauses, in dem wir damals wohnten. Es war staubig da unten und dunkel. Aber ich war allein und hatte Ruhe.

Während der Pubertät wurden meine Anfälle häufiger, ich ging nach Winterthur in die Mädchenschule, die damals neu Diplommittelschule hiess. Ich hatte mir einen vollbepackten Stundenplan auferlegt. Oft musste ich bereits früh morgens mit dem Bus los und kam erst spät abends nach Hause. Die Tage waren lang. Die Schule interessierte mich zwar, aber oft packte mich die Migräne und ich sass mit Nauseagefühl und starken Schmerzen teilnahmslos in der Klasse und wünschte mir nichts mehr als einen Rückzugsort und Ruhe. Damals gab es die ersten selbstverwalteten Räume der Schülerschaft, es waren die späten 70er Jahre. Ich erinnere mich, dass ich damals zum ersten Mal mit Schmerzmitteln experimentierte. Ich schluckte, was mir von kopfwehbetroffenen Frauen empfohlen wurde, Aspirin, Tonopan, Treupel, etc. Aber die Tabletten halfen nicht, darum habe ich nach einigen Monaten aufgehört welche zu nehmen und habe mir Zigaretten gekauft. Die konnte ich zwar bei Migräne nicht rauchen, aber es gab ja auch Tage ohne.

Die selbstverwalteten Räume waren damals meine Rettung. Es gab oft Zwischenstunden, an denen ich mich auf ein Sofa zurückziehen und allein sein konnte. Damit niemand sehen konnte, wie schlecht ich mich fühlte, hielt ich ein Buch vor die Nase. Irgendwie schaffte ich es damals, von den Englischlektionen dispensiert zu werden. Der Deal bestand darin, dass ich stattdessen englische Bücher las und an den Prüfungen mindestens eine 5 schrieb. Dies führte zu noch mehr Freistunden. Da ich nicht immer Migräne hatte, begann ich in den Freistunden ernsthaft zu lesen.

Gegen Ende der Schulzeit wurden mir diese Freiräume wieder genommen und meine

Migräne fand wieder im Schulzimmer und in den Turnstunden statt. Es war eine harte Zeit. Der Schulweg war einfach zu lang, ich konnte bei einer Attacke nicht auch noch mit dem Bus eine Stunde lang nach Hause fahren und die Anfälle waren häufig.


Studium und Arbeit

Später, während des Studiums, waren die Wege kürzer. Der Kopf zwang mich aber auch damals immer wieder zum Zuhausebleiben. Im Fach Geschichte fiel dies keinem auf. Ich war als Studentin allerdings Präsidentin der Grünen und arbeitete als Redaktorin einer Studentenzeitung. Da waren die Termine rigider und die Mittwochvormittage im Satz vor dem Erscheinungstermin des Zürcher Studenten konnten zur Folter werden, weil sie keine Freiräume liessen für meine Schattenexistenz. Ich lernte damals mit dem Schmerz umzugehen. Ich entdeckte, dass ich auch mitten in einem Anfall eine Sitzung leiten oder einen Artikel schreiben konnte. Die Migräne brachte mich zwar zeitweise fast um, aber ich lernte sie so zu verstecken, dass niemandem auffiel, wie viele Anfälle ich wirklich hatte.

Ich redete auch nicht darüber, versuchte möglichst normal zu wirken und mich bei einem Anfall still auszuklinken. Ich war in meinen Zwanzigern bis Mitte Dreissig single. Dadurch hatte ich Zeit für lange Wochenenden allein mit mir und der Krankheit.

Im Alltag gelang es mir einigermassen unauffällig zu leben. Schwieriger waren Ausflüge in die Berge. Jedes Mal packte mich eine grausige Migräne und ich fühlte mich mehr als nur elend. In einer Berghütte oder einer einfachen Alpenunterkunft gab es keine richtigen Rückzugsorte für mich. Und wandern zu gehen glich mehr einer Folter als einem Vergnügen. Damals begann ich Exkursionen in die Alpen zu meiden. Warum ich erst mehr als 25 Jahre später begriff, dass es die Höhe war, die bei mir jedes Mal einen heftigen Anfall auslöste, weiss ich nicht. Der offensichtliche Zusammenhang fiel mir damals nicht auf.

Zwischen 20 und 30 hatte ich etwa 8-10 Migräneanfälle pro Monat. Im Studium konnte ich mich trotz der vielen Nebenbeschäftigungen und den Anfällen durchmogeln. Mir graute aber vor der Arbeit danach. Jeden Tag von 8 bis 17 Uhr im Büro zu sein, erschien mir unmöglich.

Ich begann dann auch mit einer Teilzeitstelle im Stadtarchiv. Wieder hatte ich das Glück, dass ich viel zeitliche Selbstbestimmung hatte. Mir gefiel die Arbeit sehr, ich begann an meinem ersten Fachbuch zu schreiben, das 1992 erschien.

Damals kamen die ersten Triptane auf den Markt. Ich hatte darüber gelesen. Ich war damals HMO versichert und hatte meinen rasch wechselnden Ärzten immer wieder erzählt, dass ich Migräne habe. Meine Information hatte jedoch nie nur zu einer ärztlichen Nachfrage geführt oder gar zu einer Idee, was man dagegen unternehmen konnte. Mir war immer, als ob mich die Ärzte gar nicht gehört hatten. Einer sagte mir, wahrscheinlich hätte ich gar keine Migräne, denn ich sei gar nicht der Typ dafür, Migränikerinnen, das seien so hyperaktive, hochsensible Perfektionistinnen, ich gehöre da eher nicht dazu.

Ich glaubte damals auch, dass meine Migräne psychische Ursachen hatte, darum hatte ich gegen Ende des Studiums mit einer intensiven Psychotherapie angefangen. Daneben besuchte ich Wochenendseminare für Körpertherapie, probierte Homöopathie aus und liess Spagyrikmischungen herstellen gegen die Anfälle.

Die Migräne zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt.

Nach sieben Jahren Psychotherape, die punkto Migräne völlig ergebnislos verlaufen war, bat ich 1992 meine damalige HMO Ärztin, mir Triptane zu verschreiben, weil ich darüber eine Fernsehsendung gesehen hatte. Sie kannte den Wirkstoff nicht. Nachdem ich ihr im Arzneimittelkompendium gezeigt habe, wie das Präparat hiess, stellte sie mir zögerlich ein Rezept für Immigran aus. Sie verwies aber auf die hohen Kosten und bat mich, die Tabletten sparsam zu nutzen.

Mit den Triptanen hatte ich zum ersten Mal ein Instrument in der Hand, mit dem ich einen Anfall abschiessen konnte. Leider flammte er meist nach einigen Stunden wieder auf und ich musste eine zweite Tablette nehmen, oder abwarten bis er von selbst abklang. Die Wirkung der Tablette war zwar wenig nachhaltig, aber ich war der Krankheit endlich nicht mehr so sehr ausgeliefert. Ich konnte sie wenigstens unterbrechen. Die Anfallhäufigkeit schwankte immer noch zwischen 8 und 12 Anfällen pro Monat, mit hin und wieder einer längeren Pause von einigen Wochen, die mich Hoffnung schöpfen liess.

Ein besonderes Merkmal der Migräne besteht ja darin, dass man die Anfälle nachher rasch vergisst. Ich erinnerte mich jeweils kaum mehr an die langen einsamen Wochenenden, an denen ich mit Schmerzen völlig apathisch im Bett lag und die Minuten zählte während ich darauf wartete, endlich einschlafen zu können, weil dies die Chance erhöhte, dass beim Aufwachen der Anfall vorbei war. Ich blendete diese Zeiten einfach aus. Darum glaubte ich auch immer wieder (wenn es einige Wochen mit wenig Migräne gab), dass der Spuk jetzt vorbei war.

Nach zwei Jahren im Stadtarchiv machte ich mich beruflich selbständig. Dies tat ich auch wegen der Migräne, ich brauchte einfach noch mehr zeitliche Flexibilität um die Krankheit weiter verheimlichen zu können. Ich lernte gut zu planen und nichts bis zum Schlusstermin hinauszuschieben. Dadurch hatte ich immer genügend Zeit für meine elendmachende Begleiterin.

Mit 36 lernte ich dann meine erste grosse Liebe kennen. Auch sie brachte eine heftige Migräne mit in die Beziehung. Die Muster ihrer Krankheit und auch die Auslöser waren aber anders als meine. Während sie eher an Föhntagen Anfälle hatte, bevorzugte meine Migräne eher Kaltfronten und Bisenlagen. So kam es, dass an Wochenenden oft eine oder beide mit einem Anfall darniederlagen. Meine Triptane führten bei ihr zu Herzrasen und Schwindel. Sie halfen ihr auch nicht gegen ihre Anfälle. Auf mein Drängen, ging sie schliesslich in die Migräneklinik der Hirslandengruppe, dort wurden ihr die beiden moderneren Triptane Naramig und Zomig verschrieben.

Natürlich probierte ich die Mittel auch aus. Sie brachten einen grossen Fortschritt. Naramig wirkte auch wenn es spät eingeworfen wurde und wenn es einmal gewirkt hatte, kam die Migräne auch kaum mehr zurück. Zomig wirkte rasch bei frischen Anfällen.

Ich war begeistert von den neuen Tabletten und fragte meine mittlerweile neue HMO-Ärztin nach Naramig. Sie wollte mir jedoch das Präparat nicht verschreiben, stattdessen meldete sie mich für eine Physiotherapie in Form von Massage an. Spätestens damals konnte ich empirisch feststellen, dass Massagen bei mir mit fast hundertprozentiger Sicherheit Migräne auslösten. Diese Beobachtung verstärkte bei den Medizinern den Verdacht, dass die Migräne bei mir doch psychisch war, vielleicht war es doch nur ein Spannungskopfschmerz?

Ich nahm dann einige Monate lang die Naramig und Zomig Tabletten meiner Freundin und liess mir das Mittel dann auch vom Migränezentrum verschreiben.

Mit 45 Jahren begann ich zu hoffen, dass bei mir die Migräne mit der Menopause abklingen würde. Gleichzeitig gab ich meine zeitlich flexible berufliche Selbständigkeit auf und stieg mit einem vollen Pensum in ein Start-up einer Sozialfirma ein. Es war eine anspruchsvolle Führungsposition in einem sehr lebendigen rasant wachsenden Betrieb.

Meine Hoffnungen auf ein Abklingen der Krankheit erfüllten sich jedoch nicht. In der Zeit der Hormonumstellung vor der Menopause häuften sich die Anfälle wieder und ich fand mich erneut in der Migräneklinik ein. Mir wurde zuerst ein Kräuterpräparat aus Pestwurz verschrieben und ein teures Vitamin das meinen Urin leuchtstiftgelb werden liess, dann ein Psychopharmakum. Ich schluckte brav alles, aber die Anfälle nahmen nicht ab. Es veränderte sich nichts, ausser dass ich mich nun auch an gesunden Tagen seltsam fremd und gedämpft fühlte. Nach neun Monaten setzte ich das Antidepressivum gegen den Rat des Arztes ab und liess mir von meiner Frauenärztin ein Hormonpräparat verschreiben. Das stoppte zuverlässig meine Klimakteriumsbeschwerden, gegen die Migräne half es auch nicht.

Inzwischen redeten alle davon, dass meine Migräne eine Folge des beruflichen Stresses sei. Meine Einwände, dass es keinen empirischen Zusammenhang gebe und dass ich schon seit Jahrzehnten etwa gleich viele Anfälle habe, stürzten die ärztliche These nicht. Erneut wurde mir Massagen verschrieben, aber auch Kraniosakralmassagen lösten bei mir sofort Anfälle aus. Ich ging wieder in die Migräneklinik der Hirslanden, wieder erzählte ich meine Geschichte neu, wieder ein neuer junger Arzt, der wahrscheinlich bei der Nachkontrolle schon weitergezogen war. Ich weigerte mich, nach zwei Versuchen mit Antidepressiva auch noch Antiepileptika auszuprobieren.

Die Ratlosigkeit der Ärzte war dermassen mit Händen zu greifen, dass ich mein Vertrauen in sie verlor. Sie wussten nicht wie kostbar die guten Tage für eine schwere Migränikerin sind. Wenn sie auch noch durch Psychopharmaka gedämpft werden, dann beginnt der Lebensmut zu schwinden. Das wollte ich nicht nochmals riskieren. Ausserdem musste ich unter allen Umständen in der Lage bleiben, meinen Job gut zu machen, ich konnte nicht laufend wegen Anfällen zuhause bleiben. Glücklicherweise kamen die meisten Attacken in der Nacht, wenn ich beim ersten Erwachen um 5.00 früh ein Naramig einwerfen konnte, standen die Chancen nicht schlecht, dass ich zwar etwas wacklig und unkonzentriert aber sonst in arbeitsfähigem Zustand um 8.30 im Büro sein konnte. Darum begann ich mich mit den Triptanen gut einzurichten.

Ich begann regelmässig Golf zu spielen und im Winter machte ich lange Spaziergänge, ich trank kaum Alkohol, dies alles verbesserte zwar die Anfallhäufigkeit nicht, aber sie wurden etwas schwächer und ich konnte sie besser kontrollieren.

Die Jahre gingen dahin, die Migräne war zu meiner treusten Lebensbegleiterin geworden. Ich hatte mittlerweile gelernt, früh und rabiat mit Triptanen zu reagieren. Mein Verbrauch schrammte immer der zugelassenen Höchstgrenze entlang, aber ich weigerte mich, ohne die Triptane zu leben. Meine hormonelle Abänderungsphase war mittlerweile abgeschlossen, ich war 57 Jahre alt, und hatte immer noch zwischen 7 und 13 Anfällen pro Monat.

Im Sommer 2018 verliess ich die Sozialfirma, die mittlerweile 1400 Arbeitsplätze anbot und es begann wieder eine ruhigere Zeit in meinem Leben. Der rasche Takt der Führungsarbeit wich ruhigen Schreibtagen im Büro. Der Stress fiel weg, nur die Migräne besuchte mich in unveränderter Kadenz.


Das Wundermittel

Vor etwa einem Jahr las ich in der Zeitung, es gebe endlich ein Mittel, das präventiv gegen diese Krankheit entwickelt wurde. Aimovig von Novartis. Ich war etwas skeptisch, verschlang aber mit viel Interesse alle Artikel, die ich über den Wirkstoff im Internet finden konnte. Es schien nicht in jedem Fall zu wirken, in einigen schweren Fällen sollte es aber ein wahres Wundermittel sein. Ein junger Neurologe, der auch als Schriftsteller viel Anerkennung bekommen hatte, machte sich stark für den Blockbuster aus dem Hause Novartis. Mehrere Freunde hatten mir einen Blickartikel mit seiner Empfehlung des Medikaments geschickt.

Da meine Anfälle auch nach fast einem Jahr ohne jeden beruflichen Stress nicht nachgelassen hatten, sondern eher wieder am oberen Ende der Skala waren, beschloss ich mich selbst im Unispital Zürich anzumelden, wo der Neurologe arbeitete. Ich bin zwar mittlerweile privat versichert, aber um in die Sprechstunde zu kommen, musste ich ärztlich überwiesen werden. Meine Gynäkologin tat mir den Gefallen, mich anzumelden und ich bekam sechs Wochen später einen Termin.

Der Schriftstellerarzt arbeitete damals zwar bereits nicht mehr am Unispital, stattdessen empfing mich ein anderer junger freundlicher Neurologe.

Er hörte sich meine Geschichte kurz an und bedauerten dann, mir das Medikament nicht verschreiben zu können, weil ich keine Mittel gegen Epilepsie ausprobiert hätte. Man müsse zuerst zwei Mal für längere Zeit ein Antidepressivum und einmal ein Antiepileptikum genommen haben als Prophilaxe gegen Migräne um eine Kostengutsprache für das Medikament zu bekommen. Als ich ihn fragte, ob ich das Mittel als Selbstzahlerin bekommen könne nickte er, medizinisch fand er den Versuch mit dem Aimovig sinnvoll. Er holte dann einen zweiten Kollegen hinzu, und mir wurde die erste Dosis sofort gespritzt.

Am 29. April 2019 sollte sich mein Leben dramatisch ändern. Von dem Tag an war meine Migräne verschwunden.

Pro Monat hatte ich mit einem Schlag 11 gesunde Tage mehr zur Verfügung! Eine unvorstellbare Verbesserung!

In den ersten Wochen nach der ersten Spritze beobachtete ich mich argwöhnisch. Ich horchte in mich hinein, griff mir an den Kopf, suchte nach verspannten Muskeln und anderen Frühindikatoren für einen Anfall. Es war wie in einem Film, in dem der Bösewicht zur Strecke gebracht worden war. Einen Moment lang brach Langeweile aus und dann kam die Müdigkeit. Ich schlief viel und fühlte mich seltsam fremd und desorientiert. Jeden Moment wartete ich auf einen neuen Anfall, aber es kam keiner mehr. Hin und wieder ein leicht schaler Geschmack im Mund und ein leichtes Klopfen im Kopf, das aber nach einigen Stunden (und einem Naramig) wieder abklang. Ich hatte keine einzige richtige Migräne mehr seither.

Nach sechs Wochen begann ich langsam etwas Vertrauen zu schöpfen. Etwas hatte sich verändert. Beim Golfspielen merkte ich, dass ich konstanter spielte. Und dann brach eine Kreativität aus, die ich in kleineren unterbrochenen Schüben schon an mir kannte. Diesmal, war sie aber viel kräftiger, sie ergriff mich mit Haut und Haaren. Ich begann nicht nur mehr zu schreiben, ich hatte eine Geschäftsidee, der ich Tage später bereits eine erste Webseite folgen liess, dann begann ich zu podcasten und aus meinem extrem ressourcenorientieren, sorgfältigen, immer krankheitsbereiten Energiehaushalt wurde ein pralles Energiekonto, von dem ich laufend abheben konnte, ohne, dass ich dies büssen musste.

Nur an Tagen mit heftigem Ostwind – das waren früher die Tage mit garantierter Migräne – sitze ich seltsam lahm zuhause und arbeite wenig, sondern schlafe viel und bin am liebsten allein. Diesmal aber ohne Schmerz. Und Alkohol vertrage ich immer noch nicht besonders gut.


17.7.2019 lybl/14726Anschläge

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